Donnerstag, 15. März 2007
Folge 6: Der Glücksfall meines Lebens
STEH AUF MANN

Mein Buch bei Rohnstock Biografien
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››Die Kinder sollen es einmal besser haben‹‹, dachte - wie viele seiner Generation - auch Vater. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, dass ich Medizin studiere.
(...)
Gut, als Jungspund wusste ich nicht, was ich wollte. Ich wusste nur, was ich auf keinen Fall wollte: Mediziner werden. Wäre ja noch schöner! Einen konkreten Grund dafür hatte ich nicht, aber warum sollte ich das tun, was mein Vater wollte?
(...) Er löcherte mich mit seiner Idee. Meine Mutter sagte wenig zum Thema. Die treibende Kraft war Vater.
Wahrscheinlich hatte er vergessen, wie seine eigenen Schulzeugnisse ausgesehen hatten. Ich entdeckte sie eines Tages und studierte sie neugierig. Er wollte also mir Vorträge halten, wie wichtig das Lernen wäre, gute Noten und Abitur?
Meinem Vater war wegen seiner Schulnoten nichts anderes übrig geblieben, als Maurer zu werden. Deswegen sollten seine Kinder etwas ››Richtiges‹‹ lernen und studieren. Eben Medizin!
Dazu braucht man das große Latinum. Das gab es in Verden nur im Domgymnasium, einer rund vierhundert Jahre alten Anstalt.
Ich bekam Druck. Ich musste - es gab keine andere Chance. So schlug ich mich mit durchschnittlichen Leistungen durch die vierte Klasse der Grundschule. Das reichte, um aufs Domgymnasium zu wechseln. Bock darauf hatte ich nicht.
Irgendwann schaltete ich auf stur. Ich war fest davon überzeugt, meine Zeit zu verplempern! Im Schulfach Chemie fand das am nachhaltigsten Resonanz: Wozu brauchte ich chemische Formeln in meinem künftigen Leben? (...)
Ich blockierte total und sammelte schlechte Noten. Auch in Latein und Mathematik. In der siebten und achten Klasse waren meine Zeugnisse reinste Katastrophen. Mit drei Fünfen konnte es kaum schlimmer kommen: In der Achten blieb ich sitzen!
Das war der Glücksfall meines Lebens! Bis zum Ende der achten Klasse glich ich meiner Meinung nach einem normalen Jugendlichen. Ich war zurückhaltend, leise, schüchtern - privat wie vom Verhalten im Unterricht. Ich meldete mich lieber nicht. Man könnte ja etwas Falsches sagen und sich der Lächerlichkeit preisgeben. (...)
Das änderte sich radikal. Ich wiederholte das achte Schuljahr, und auf einmal verkehrte sich meine Selbstwahrnehmung. Ein Pubertätssprung tat sein Übriges. Ich wurde ein großer, langer Kerl. Eine Respekt einflößende Erscheinung. Das beeindruckte meine Mitschüler. Vor allem die Mädels. Ein tolles Gefühl!
Weil ich die achte Klasse wiederholte, ließen sich meine Noten inzwischen besser sehen. Das freute meine Eltern.
Gleichzeitig machte es mir Spaß, die Lehrer zu ärgern.
››Man gönnt sich ja sonst nichts‹‹, dachte ich mir und mischte zusammen mit meinem Klassenkameraden Andreas Brehmer den Unterricht auf. Wir erfanden wilde Geschichten, mit denen sich der Lehrer meist tatsächlich beschäftigte. Wir machten Unsinn - und kassierten am Ende doch gute Noten. Es gibt eben verschiedene Wege, zum Ziel zu kommen.
Ich ließ mich sogar einmal zum Klassensprecher wählen, jetzt wollte ich mitreden. Doch in der Oberstufe erschien mir das nicht mehr so interessant. Klassen- und Schulsprecher waren die Leute, die behaupteten, der Schulalltag sei so stressig. Über den angeblichen Schulstress zu diskutieren war große Mode. Für einen solchen Blödsinn wollte ich nicht gewählt werden. Von wegen ››arme Schüler‹‹. Das Gegenteil war der Fall.
››Uns geht′s doch gut!‹‹, dachte ich.
Mir war es wichtig, eine schöne Zeit zu haben. (...)
Ich war sechzehn, siebzehn und hatte partout keine Lust, nach sechs und mehr Stunden Unterricht auch noch Energie für Hausaufgaben aufzubringen. Andere in meinem Alter hatten zwar bereits eine Lehre angefangen und mussten richtig arbeiten, aber das war mir doch egal!
Es reichte mir, mit einigermaßen guten Noten durchs Schuljahr zu kommen. (...)
Außerdem wurden langsam die Mädchen interessant ...
1981 hatte ich endlich mein Abitur mit einem Notendurchschnitt von 2,8 in der Tasche. Dies war mein erster großer Meilenstein, ich hatte das Abitur - und erinnere mich gerne an die vielen Abschlussfeiern.
Was nun? Was nach dem Gymnasium kommt, war eigentlich klar: Andy musste erst einmal für fünfzehn Monate zur Bundeswehr. Aber danach? Ich hatte keine Ahnung.
Während der Bundeswehrzeit entwickelte sich die Idee, Gartenbauarchitektur zu studieren. Doch es gab keinen Grund zur Hektik. Einen Studienplatz würde ich dank meines durchwachsenen Notendurchschnitts frühestens drei Jahre nach dem Abi bekommen. Um die Zeit sinnvoll zu füllen, machte ich zunächst eine Lehre als Gärtner für Zierpflanzenbau.

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