Freitag, 16. Februar 2007
Folge 4: Vier Bengels
STEH AUF MANN

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Meine Eltern hatten im Mai 1959 geheiratet. Wie die Orgelpfeifen kamen drei Kinder: 1960 ich, 1962 Torsten und 1964 Arne. Sechs Jahre später erblickte unser Jüngster, Christian, das Licht der Welt. Da baute Vater längst am neuen Haus für unsere Familie.
Die Geburten schilderte Mutter später als ››Negativ-Erlebnisse‹‹. All die Jahre hatte sie bei jeder Schwangerschaft immer wieder auf ein Mädchen gehofft. (...)
Die ››reinste Katastrophe‹‹ - aus Sicht meiner Mutter.
Ihre Schwangerschaft mit Christian schließlich war ein ››Unfall‹‹, wie sie es selbst nannte. Denn in der Phase des Bauens und der Selbstständigkeit meines Vaters waren ››andere Umstände‹‹ ganz und gar nicht erwünscht.
››Dann wird das eben jetzt ein Mädchen‹‹, wollte es Mutter diesmal ertrotzen. Doch es kam wieder ein Junge, der vierte!
(...)
Mutter hatte es oft nicht einfach mit uns. Wenn wir nicht spurten, bekamen wir ein paar übergezogen, mit dem Kleiderbügel, dem Staubwedelstiel, oder sie kniff uns in den Arm.
(...)
Sie hatte die Vaterrolle übernommen, und zwar radikal. Vater hätte nie die Hand gegen uns erhoben. Er musste sich abends unsere Untaten anhören und sollte durchgreifen. Doch er vermied das meistens ...
Mutter fackelte nie lange.
Mit der Zeit wurden wir Jungs kräftiger, so erledigte sich das Thema irgendwann von selbst.

Ich bin dankbar, Geschwister zu haben. Durch sie lernte ich früh, mit anderen in Gemeinschaft umzugehen. Man lernt das Teilen, man lernt, dass man die Liebe der Eltern nicht allein hat. Man lernt vieles fürs spätere Leben.
Ich bin der Älteste. Wie das so für meine Brüder war? Da gehen die Meinungen naturgemäß auseinander.
(...)
Ich ... mochte meine Brüder. Warum ich mich früher häufiger mit Torsten prügelte, weiß ich nicht mehr. (...)
Christian wurde als Nesthäkchen verwöhnt. Er hatte eine ganz besondere Rolle - und spielt sie bis heute. Wir können sehr gut miteinander.
Durch den Tod meiner Mutter lerne ich meine Brüder auf neue Art kennen. Ich entdecke Wesenszüge an ihnen, die ich bislang nicht kannte. Ich bin gespannt, wie wir den Kontakt untereinander halten, jetzt, wo ein wesentlicher Bezug fehlt.
(...)
Arne bemüht sich sehr, den brüderlichen Kontakt zu pflegen. Das klappt gut, unser Verhältnis ist bestens. Telefonierte ich früher sonntags mit Mutter, spreche ich nun häufig mit Arne. Er besorgte sogar die Kalender, die Mutter jedes Jahr kaufte, und schickte mir ein Exemplar. So wie sie es sonst tat.
Nur die Beziehung zu Torsten ist leider nicht optimal. Ich weiß nicht, warum. Es gibt nicht mal ein Thema, um das wir uns streiten. Es hat sich so ergeben, aber ich bin zuversichtlich, dass wir jetzt mit der Vernunft des Alters besser mit den Kleinigkeiten des Lebens umgehen. Je älter man wird, desto mehr sollte man schätzen, was einem gegeben wurde. Geschwister werden uns durch die Eltern geschenkt. Ich hatte das Glück, sie im Dreierpack zu bekommen!

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Donnerstag, 1. Februar 2007
Folge 3: Eisblumen am Fenster
STEH AUF MANN

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Denke ich an meine Kindertage, fallen mir wunderbare Eisblumen ein.
Unsere Wohnung verfügte nur über einen Wohnzimmerofen, den wir tagsüber heizten. Als kleiner Knirps patschte ich einmal die heiße Ofentür an und verbrannte mir die Handfläche. (...) Meinem ersten Griff ins Feuer sollten im späteren Leben viele weitere folgen.
Schlafzimmer und Kinderzimmer blieben kalt, das war so üblich. (...) Wenn wir im Winter morgens unter unseren dicken warmen Bettdecken aufwachten, erblickten wir an den Fenstern wunderschöne Eisblumen. Mit ein paar hingehauchten Atemzügen schuf ich ein kleines Guckloch: „Hat es über Nacht geschneit oder nicht?”
(...) Die ersten zehn Jahre meines Lebens wohnte ich mit meiner Familie in der Andreasstraße Nummer 3, in Vaters Geburtshaus im niedersächsischen Verden. Es war ein kleines Haus, die Wohnverhältnisse ziemlich miserabel. Dennoch erinnere ich mich gern an diese Zeit - schließlich war ich Kind.
Unten befanden sich Wohnzimmer, Küche und Schlafzimmer der Eltern. Dahinter lag unser Kinderzimmer, wo ich mit Bruder „Nummer zwei” schlief.
Dahinter eine kleine Toilette, ein Bad gab es nicht. Wir badeten in einer Zinkwanne im Wohnzimmer. Das war klasse. (...) Oben im Haus wohnten Oma Lili, Vaters Mutter, und Onkel Volker, der Bruder meines Vaters. (...) Wenn Oma zur Toilette wollte, musste sie erst die Treppe hinunter, dann durchs Schlafzimmer der Eltern und unser Kinderzimmer. Im Winter mit einem Eimer Wasser in der Hand. Denn meist war die Leitung in der Toilette eingefroren ...

Natürlich besaßen wir einen Fernseher. Er flimmerte in Schwarz-weiß... ››Daktari‹‹, ››Bonanza‹‹, ››Lassie‹‹, ››Flipper‹‹ & Co. faszinierten mich. Die Helden meiner Kindheit waren grau.
Doch es gab auch meinen ewigen Alptraum-Film „Der Tiger von Eschnapur”. Die Szene mit all diesen Leprakranken! Die fürchterlichen Kreaturen fand ich so schön schrecklich. Trotzdem wollte ich keine Sekunde verpassen.
Wenn ich danach raus in den Schuppen musste, um Briketts zu holen ... Du lieber Gott! Es war Winter, längst dunkel - und so gruselig!
Oben auf dem Dach des Schuppens lagen alte Sachen von Opa, der den Zweiten Weltkrieg und die Gefangenschaft überlebt hatte und den danach auf der Baustelle ein Ziegelstein erschlug. Es gab wenig Licht und es war unheimlich. Ich durchlitt furchtbare Ängste. Heute würde jedes Kind über diesen Film nur lachen.

Mutti verdiente nebenbei Geld. Sie stopfte Damenstrümpfe. Die waren teuer und wurden nicht einfach weggeworfen. Man ließ reparieren.
Wenn ich morgens aufwachte, saß sie schon im Wohnzimmer und verrichtete ihre filigrane Arbeit. Die fertigen Strümpfe musste ich als kleiner Steppke zur Familie Thiel, Mamas Auftraggebern, zurückbringen, und wurde gleich mit neuem Material versorgt.
Manchmal kam ich Träumer auf meinen Botengängen vom Weg ab. Besonders in der Weihnachtszeit, wenn die große Straße in Verden überall festlich beleuchtet war. Ich liebte diese vielen Lichter ...
So träumte ich die Straße entlang ... - und prompt fuhr mich eines Tages ein Fahrrad um.
Ich erwachte im Krankenhaus mit einer Gehirnerschütterung. (...)
Kleinen Jungs auf Entdeckungsreise passiert schon mal etwas.
Großen auch, wie ich später lernen sollte.

Eingeschult wurde ich gleich zweimal und auch die Schultüte gab es zweimal - mein erster Doppelschlag.
Den ersten Versuch startete ich im September 1966 ...
Gerade zwei Wochen zuvor sechs Jahre alt geworden, war ich der Jüngste; zart besaitet und noch sehr verspielt.
Dennoch freute ich mich: Jetzt kommt etwas Neues. Der kleine Andy als stolzes Schulkind. Spielen kann man sicher auch dort!
Die Lehrer schätzten die Lage ähnlich ein wie ich. Ich durfte meine Spielsachen herausholen und murmeln. Das fand ich klasse! Für die Schule war ich einfach noch zu klein. Vier Wochen später saß ich wieder zu Hause und fand es schick, auf dem Domplatz gegenüber zu spielen.
Beim zweiten Mal wurde die Sache ernst. An Spielsachen war nicht mehr zu denken. In der Pestalozzischule lief der Hase jetzt anders.
Die Schule gefiel mir. Am Anfang fand ich es schön, dort hinzugehen. Vieles war neu. Die Klasse, die Kumpels, mit denen ich Fußball spielen konnte. (...)
Alles ganz normal. „Unnormal” wurde es erst später ...

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Samstag, 27. Januar 2007
Folge 2: Kaffee und Kekse - ein Tag in der PAKETERIA
STEH AUF MANN

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Den Rechner hochfahren ist morgens nicht das Erste. Zeitung lesen, das ist wichtig. Was ist aktuell in Politik und Wirtschaft? Mal sehen, ob die große Koalition Deutschland voranbringt. So etwas muss einen Unternehmer doch interessieren! (...) Jeden Tag das Gleiche, trotzdem freue ich mich darauf. Halb neun im Betrieb. Einen ersten Kaffee aus der Maschine. Das schwarze Getränk wird mich wieder durch den Tag begleiten. Und Kekse, Kekse, Kekse. Meist bleibt keine Zeit für ein richtiges Mittagessen, geschweige denn ein Abendbrot. Ist nicht gut für den Magen und die Gesundheit - doch was hilftprimes? Jeder Tag ist voll gestopft mit Arbeit. Und das ist gut so. Gegen neun sind alle eingetrudelt. Zurzeit beschäftige ich dreiundzwanzig Mitarbeiter in der Zentrale Berlin-Alt Buckow. Ich drehe eine Runde durch den Betrieb, das lasse ich mir nicht nehmen. Es gibt immer irgendetwas zu klären - besser gleich, als auf die lange Bank geschoben. Wie viele Pakete wurden gestern verschickt? Wo hapert es heute? Was brauchen wir morgen an Verpackungsmaterial? Zwischendurch eine Zigarette, ein erstes Telefonat - viele weitere werden folgen - und noch einen Kaffee. (...) Kurz vor zehn beginnt das Meeting mit unserer Steuerberaterin Annette Goldstein und unserem Fachmann für Franchising, Professor Reinhard Wingral, der aus Eckernförde anreist. Es geht um den allgemeinen Ist-Zustand der Firma, diverse Vorhaben und unzählige Details in den Businessplänen für die Franchise-Zukunft der PAKETERIA - also Zahlen, Zahlen, Zahlen. Dazu gibt es Kaffee und Kekse. (...) Zurzeit dreht sich alles um unzählige Einzelheiten: Was gehört in einen Franchise-Vertrag? Wie viele Lizenzen sind realistisch - vor allem angesichts der Tatsache, dass im Jahr 2007 das Briefmonopol der Deutschen Post fällt? Mit solchen Fragen kann und muss man Stunden verbringen, da kommt keiner drum herum. Auch wir nicht. Wichtig ist nur, schnell und pragmatisch zu entscheiden. Hier und jetzt. Abarbeiten am Stück. Nicht für alles einen Ausschuss bilden und immer noch einen weiteren Termin anberaumen. Die Situation ist vergleichbar mit der eines Flugzeugpiloten, der unverhofft in einen Orkan hineingerät. Der kann nicht lange verhandeln, der muss sich schnell entscheiden, was er tut oder lässt. (...) Halb zwei: Gespräch mit der Steuerberaterin wegen privater Entscheidungen. Derweil nehmen Herr Budde, mein Mann für die Finanzen, und Herr Wingral die Feinabstimmung am Franchise-Vertrag vor. Dafür brauchen mich die beiden Fachmänner nicht unbedingt. Ich vertraue ihnen - und kann delegieren. Zwischendurch gibt es wieder schwarze Brühe und Gebäck. Die Mitarbeiter sitzen vor ihren Computern, telefonieren, verhandeln, besprechen. Unten werden Pakete angenommen und verpackt. Über eBay versteigern wir permanent verschiedenste Artikel unserer Kunden. Wir selbst ersteigern gerade billig beste Büromöbel, bekommen den Zuschlag. Drei, zwei, eins - meins. Der Haken an der Sache: Wir müssen die Schränke und Tische noch am selben Nachmittag abholen. Aber kein Problem. Solche Aufgaben lösen wir im Handumdrehen. Schnell sind etliche Wagen, Fahrer und Helfer organisiert, die die Möbel transportieren. Nur hinauftragen in ihr neues Zuhause werden wir sie wohl selbst. Dann knurrt mein Magen. Eigentlich wollte ich etwas essen gehen. Doch keine Zeit. Seit fünfzehn Jahren Kaffee und Kekse - so kann man Geschäftemachen auch zusammenfassen. 13.48 Uhr: Unser Mitarbeiter Volkmar Schultze, der Mann für alles und als "Onkel Schulle" eine Institution der Firma, bekommt eine Anfrage herein. Rund vierhundert Computer sind zu verpacken und am nächsten Tag in die Niederlande zu verschicken. "Ob wir das stemmen?", fragt Schulle. Klar, wir lehnen keinen Auftrag ab! Wir verfügen über die nötige Erfahrung und bieten die erforderliche Sicherheit. Eine Stunde Zeit muss reichen, um dem potenziellen Kunden ein Angebot zu unterbreiten. Es scheint zu klappen. Jetzt brauchen wir nur noch zusätzliche Arbeitskräfte für den nächsten Tag. Also ran ans Telefon - das alles sind positive Probleme! Und weiter mit den Franchise-Verträgen. Die nächsten paar Stunden gehören erneut wichtigen Zeilen und Zahlen, am Abend sollen die Vertragsentwürfe stehen. Wir arbeiten konzentriert und effizient, wie immer. Nur ab und an stört kurz ein Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin: "Chef, ich brauche Sie unbedingt mal fünf Minuten!" Man darf mich stören. Lieber früher entscheiden als später. (...) Inzwischen verstreicht die 18-Uhr-Feierabend-Grenze. Pünktlich kommt hier kaum einer raus. Ich schon gar nicht. In der Regel streiche ich abends gegen sieben oder acht die Segel und fahre nach Hause zu meiner Frau und den Kindern. Feierabend heißt für mich, mit meinem Hund Sammy eine Stunde draußen herumzustromern. Ich lasse mir die frische Luft um die Nase wehen. Man bewegt sich, der Kopf wird frei - da kommen mir die besten Ideen. (...) Viola geht meist früh zu Bett, ich dagegen bleibe lange auf. Fernsehen mag ich nicht, das Programm ist langweilig. Also fahre ich nach 22 Uhr noch mal den Computer hoch und arbeite ein Weilchen. Vor halb eins mache ich den Rechner meist nicht aus. Das ist jedoch kein Problem. Eher das Gegenteil ist der Fall: Ich gehe mit dem guten Gefühl ins Bett: Heute habe ich wieder viel geschafft, geklärt und auf den Weg gebracht. Damit schlafe ich bestens ein.

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